Montag, 18. Juni 2007
Litauen: die Geschichte mahnt
Litauen hat bereits Gesetzt ratifiziert, die das Land in zwei Teile aufbrechen: einen litauisch dominierten und einen weißrussisch dominierten. In beiden werden ab 2008 Lokalparlamente gewählt, die über Verwaltung und Infrastruktur entscheiden werden - theoretisch.
Praktisch gesehen sind diese Parlamente wenig mehr als eine große Augenwischerei, um das Land zusammenzuhalten - alle beschlossenen Gesetze müssen vom Gesamtparlament ratifiziert werden. Dennoch ist es jetzt unausweichlich geworden, daß diese Parlamente mehr und mehr Macht an sich reißen werden, bis sie schließlich das Gesamtparlament ersetzen werden. Aus dem Einheitsstaat wird ein Bundesstaat, wird ein Staatenbund.

Dies ist eine gute Gelegenheit, ähnliche historische Konstrukte der letzten beiden Jahrhunderte kurz zu beleuchten. Picken wir und 5 Beispiele heraus.

1) Das Bulgarisch-Osmanische Reich ging nach schon 2 Jahren zu Grunde. Sultan Abdul Hamid II war der einzige bekannte Herrscher, der über zwei Länder regierte, die miteinander im Krieg waren. Faktisch war es nie ein Reich, sondern der verzweifelte Versuch, das unvermeidliche Aufbrechen eines sklerotischen Herrschaftsbereichs aufzuhalten.

2) Ungarn-Kroatien (im Volksmund auch "Ungern-Kroatien" genannt) begann sein Leben als frisch unabhänig gewordenes Königreich unter Reichsverweser Kossuth. Nach kurzer Zeit (als die Habsburger die Unabhängigkeit des Landes offiziell und zähneknirschend anerkennen mussten) konnte ein Bathory als König gewonnen werden und fügte dem Land eine weitere Klammer hinzu. Trotzdem wurde das Land offen und auch heimlich immer mehr magyarisiert, bis schließlich der Bürgerkrieg das Land fast zerbrach. Heute ist es mehr oder weniger ein Bundesstaat, in dem auch die Rumänen und Slovaken ihre Lokalparlamente haben - allerdings kostete das noch drei weiteren Bürgerkriege. Der Streit über den Landesnamen ist immer noch nicht beigelegt und wird es wohl auch nicht.

3) Das Russische Reich zerbrach in der Revolution 1906 nach dem katastrophalen Krieg mit China. Erst seit wenigen Jahren ist es wiedervereinigt und die Kollektivisten in Sibirien agitieren bereits wieder für Unabhängigkeit.

4) Indien ist nach wie vor das Musterbeispiel für ein Staatengebilde, daß nicht natürlich wachsen kann. Die Zentralregierung ist schwach und die einzelnen Landesteile sind nach wie vor auf die britischen "Berater" angewiesen, wenn sie sich im Parlament zu etwas zusammenraffen wollen. Zugegeben: dies ist besser als das Indien vor der Vereinigung und die jetzige Lösung hat elendes Blutvergießen und Haß vermieden, aber Indiden ist deutlich mehr ein Staatenbund als ein Bundesstaat. Praktisch gesehen eine Versuchswiese der Briten, nach dem sie ihr Commonwealth aufgebaut haben.

5) Das Heilige Römische Reich wurde mit 4 Kriegen bezahlt und wäre trotz des ganzen Föderalismus (die 1950er mal außer Acht lassend) dennoch auseinandergebrochen, wären in den ersten 30 Jahren nicht die Grundlagen für ein dauerhaftes Zusammenwachsen im Zeitalter des Nationalismus gelegt worden: eine gemeinsame Sprache (auch wenn es Volapük ist), ein langlebiger Herrscher unter dem das Fundament trocknen konnte, die Lokalsprachenregelung (die wahrscheinlich unzählige Revolten in Galizien, Böhmen und Polen vermieden hat), und der bewusste Versuch, ein neues Nationalgefühl für ein Kunstprodukt zu schaffen. Trotzdem eine Ausnahme.

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Samstag, 16. Juni 2007
Unruhen in Litauen vorerst beendet
Es scheint, als ob die zeitgemäße Intervention des litauischen Königs das Schlimmste verhindert hat. So gab es nur mehrere Millionen Taler Sachschaden und unter 100 Verletzten.
Seitdem hat das litauische Parlament ein neues Gesetz auf den Weg gebracht, dass aus Litauen wohl Litauen-Belarus machen wird. Solche Länderfusionen haben bisher in den seltensten Fällen versagt (das Bulgaro-Osmanische Reich sei hier dennoch als abschreckendes Beispiel genannt), aber hier steckt meiner Meinung nach noch mehr dahinter.

Litauen während der 2007er Weißrussenunruhen.
Anbei eine graphische Darstellung der Unruhen. Wie man sieht, waren Unruhen und friedliche Proteste in Litauen relativ weit verbreitet. Nur in der Gegend um Minsk (übrigens ein beliebtes Ziel der russischen Einwanderer) gab es gewalttätige Ausschreitungen - anscheinend sogar im organisierten Stil.

Ich befürchte, das letzte Wort ist hier noch nicht gesprochen worden. Seit der Wiedervereinigung Mitte der 90er versucht die russischen Führung verzweifelt, eine neue Identität zu finden, die sich jenseits von Kapitalismus und Kollektivismus bewegt. Wie es aussieht, haben sie das Primitivste gefunden: ethnischen Nationalismus.

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Freitag, 8. Juni 2007
Keine Langeweile im Osten
Die Lage in Litauen hat sich über die Woche entspannt, seit sich der König persönlich mit einigen der moderaten Separatistenführer getroffen hat. Laut Staatsfernsehen an einem "nicht näher bekannten Ort an der litauisch-ukrainischen Grenze". Hmm.

Ich fürchte, das wird ein Frieden, der irgendwann mit Krieg bezahlt werden wird - wenn es überhaupt zu einem kommt. Die Moderaten kann der König mit einem föderalistischeren Modell ruhigstellen, aber bei den Radikalen sieht es anders aus. Steht uns hier eine neue Terrorgruppe in Sinne der ETA bevor?

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