Geschichten aus dem kontrafaktischen Reich

In zwei Wochen ist es wieder soweit: die sogenannte kulturelle Elite trifft sich in Reims um ihre verkopften Lieblingsprojekte vorzuführen, die hinterher an den Kinokassen gnadenlos scheitern.

Besonders brisant: Spanien boykottiert die Festspiele dieses mal schon zum vierten Jahr in Folge und es hat sich immer noch keiner der Veranstalter dazu herabgelassen, dies auch nur zu kommentieren.

Wo sind die Zeiten hin, in der bei den Filmfestspielen Qualitätsfilme wie "Schatten der Pyramiden" (ägyptisch-türkische Coproduktion, 1998 Sieger in vier Kategorien) oder "Männer der See sterben nie" (britisches Historiendrama, 1986 Sieger in drei Kategorien) sowohl Kritiker als auch Kinogänger begeisterten?

Man wird ja heutzutage von einer Laterna Magica besser unterhalten. Traurig.

Eine Frage, die nicht nur von Anfängern in imperialer Geschichte gerne gestellt wird. Für den Laien gibt es das Reich seit 962. Was hierbei gerne übersehen wird, sind die drei Zeiten des Interregnums (die "herrscherlosen" Zeiten). Daß sogar Politiker davon nicht verschont werden, hat der damalige Kanzler Kreefeld bei der Tausenjahresfeier wunderbar bewiesen.

Das dritte Interregnum begann, als Napoleon I. das heilige Reich 1812 vollständig auslöschte - die damaligen Fürsten konnten ihr (für sie bedeutungsloses) Land nicht schnell genug verraten, um an zusätzliche Untertanen und Geldgeschenke zu kommen. Schlussendlich legte Kaiser Franz II die Krone des Reiches nieder und erklärte es für aufgelöst (die sogenannte "erste Nullifikationskrise").

Als Maximilian III. das Reich eine Generation später neu errichtete, wurde offiziell (und meines Wissens völlig zu Recht) festgestellt, dass das Reich niemals aufgelöst worden war, da Franz II. hierzu nie die Berechtigung hatte und der Einspruch des Königs von Schweden wegen eines (angeblichen) Formfehlers vollkommen ungerechtfertigt abgeschmettert wurde.

Schlussendlich war dieses neue politische Konstrukt, daß den Deutschen Bund ablöste, nicht das alte Heilige Römische Reich Deutscher Nation, sondern etwas neues - für seine Zeit extrem fortschrittlich und liberal. Der Kontinutätsbruch war deutlich größer als 1254 und 1740, was den Begriff (der gerne verwendet aber selten begriffen wird) erklärt.

Willkommen zu meinen Betrachtungen über Politik und Geschichte.

Kurz etwas über mich: Ich bin 26 Jahre alt, evangelisch, ledig, Student der Geschichtswissenschaften und Politik und habe zuviel Zeit. Deshalb habe ich beschlossen, ein Tagesbuch im Metanetz zu eröffnen. Nicht, dass ich besondere Rückmeldungen erwarte - es ist lediglich ein Projekt unter vielen.

Auch wenn ich aus und über Geschichte und (lokale und globale) Politik bloggen will gibt es einen guten Grund, warum ich dies in Deutsch und nicht im "staatlichen" Volapük mache: es sind letztlich meine (rheinländische) Gedanken.